Buchrezension: Nichts für Alle
Transparenzhinweis: Quinn Alexis und ich haben uns gegenseitig Rezensionsexemplare geschickt und ausgemacht, dass wir uns gegenseitig Rezensionen schreiben.
Nichts für Alle von Quinn Alexis ist ein kuscheliger Roman mit reichlich Spannung und politischen Fragestellungen. Quinn Alexis gewährt den Lesenden einen einfühlsamen Blick auf fiktionale autonome Strukturen und bildet so eine Lebensweise aus unserer echten Realität ab, die sehr selten von literarischen Werken gewürdigt wird.
Die Geschichte spielt in einer Welt, die anders ist als unsere heutige. Diese Zukunftsvision erforscht, was passiert, wenn eine Gesellschaft Reformen umsetzt, ohne sie zu Ende gedacht zu haben. Das Ergebnis ist in manchen Punkten erstrebenswert und in anderen schrecklich. Auf diese Art hält Alexis unserer momentanen Realität den Spiegel vor.
In dieser Welt leistet die Polizei Sozialarbeit und tut so, als könne sie dadurch alle Probleme lösen. Was passiert, wenn eine Polizistin-Sozialarbeiterin gegen die missbräuchlichen Verhaltensweisen in den eigenen Reihen vorgehen möchte? Kann sie das? Und was passiert mit Menschen, die immer noch durchs Raster fallen? Wie kann man zwischen Kontrolle und Sanktionen eine Nische zum Überleben finden? Wir folgen einer Protagonistin, die sich nicht sicher ist, ob sie sich für die richtige Seite entschieden hat, und lernen eine kleine, rebellische Community kennen.
Das Werk stellt nicht den Anspruch, ein grandioses Epos über das Schicksal der Welt zu sein. Wir bleiben im Kleinen, im Zwischenmenschlichen, und sehen, wie durch und durch politisch das Private ist. Dabei gelingt es Alexis, zwischen achtsamen Wohlfühlbeziehungen ordentlich Spannung zu erzeugen. Auch ganz ohne weltbewegende Mysterien war ich noch nie so nervös über ein Paar Schuhe.
Durch den Fokus aufs Persönliche wirken die Charaktere vertraut. Es sind ganz normale Leute, die in einer anderen Welt Dinge erleben, die wir so ähnlich auch in unserer eigenen Welt erleben könnten. Es geht um Familie, um romantische Anziehung, um Grenzen und Bedürfnisse, um einen umsichtigen Umgang miteinander und darum, wann die Regeln gebrochen werden müssen, um solidarisch füreinander da sein zu können.
Ich hatte Freude am Lesen. Trotz aller Entspannung wurde das Buch kein bisschen langweilig. Ganz grundlegend hätte ich mir nur für die Charaktere ein komplexeres Innenleben gewünscht.
An manchen Stellen musste ich lächeln, weil die Beziehungsmodelle und der zwischenmenschliche Umgang im Roman teilweise stark idealisiert sind. Das war für mich irgendwas zwischen ungewohnt und erfrischend. In Mainstream-Medien wird auch viel idealisiert, aber da werden natürlich ganz andere Verhaltensweisen und Eigenschaften abgefeiert.
Es ist viel Gesellschaftskritik drin, aber eben auch ein Gegenentwurf. Obwohl es Fiktion ist, hatte ich das Gefühl, dass damit eine Wahrheit abgebildet wird, die mir zutiefst vertraut ist. Und das ist der Grund, warum ich Selfpub so viel lieber lese als durchpolierte Bestseller.
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