Rollator
Dieser Artikel gehört zu einer Beitragsreihe zum Thema Mobilitätshilfen. Eine Übersicht findet ihr im Einleitungsartikel: Ich kann nicht mehr gut laufen, und jetzt?
Heute werde ich euch den Rollator vorstellen, ein Hilfsmittel, das ich selbst oft und gerne nutze, mit allen Vor- und Nachteilen, die ich bisher entdecken konnte.
Ein flexibles Hilfsmittel für den Alltag. Foto: Irina Rempt, Model: Liselot van der Voort. Mit freundlicher Genehmigung.
Der Rollator ist ein mächtiges, billiges und oft vernachlässigtes Hilfsmittel, das ich euch nur ans Herz legen kann. Neu kaufen kann man so ein Gerät ab ca. 50 €, gebraucht bekommt man sie oft für die Hälfte. Als Kassenleistung ist es auch auf Rezept erhältlich, aber der Streit mit der Krankenkasse ist unter Umständen ein Stress, den man sich sparen kann. Eine Ausnahme bilden auch hier wieder Rollatoren, die für fette Menschen geeignet sind: Extra breite und belastbare Modelle sind oft unverhältnismäßig teuer. Hier macht es schon eher Sinn, sich ein Rezept zu besorgen, sofern die Möglichkeit dazu besteht.
Meiner Erfahrung nach macht es keinen großen Unterschied, ob es sich um ein Billigteil handelt oder um ein teures Luxusgerät, solange auf die Abmessungen und Geometrie geachtet wird. Es ist auch okay, so ein Ding zu besorgen und es die meiste Zeit in der Ecke stehen zu lassen und nur dann einzusetzen, wenn es wirklich die beste Wahl für eine bestimmte Aufgabe ist.
Rollator in der üblichen Bauweise. Wenn man den Korb abnimmt, ist auf der Bodenplatte viel Platz für schweres Gepäck. Foto: Stephen B Calvert Clariosophic, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Vorteile des Rollators:
- Günstig: Sehr gut gebraucht erhältlich, auch auf Rezept verfügbar.
- Leicht zu transportieren: Passt gefaltet in die meisten Autos, kein Problem in Bus und Bahn; kann von Helfenden auch problemlos Treppen hoch und runter getragen werden.
- Gute Beladungsmöglichkeiten: Die gängigsten Rollatoren haben sowohl einen Korb, der für mittlere Lasten geeignet ist, als auch eine Bodenplatte. Wenn man den Korb herunternimmt, kann man diese Bodenplatte beladen bis zum Gehtnichtmehr. Die Kombination Rollator plus Spanngurt ersetzt gerne einen Einkaufstrolly bei besserer Ergonomie.
- Transportieren von Gegenständen in der Wohnung: Bei Verwendung anderer Gehhilfen wie Gehstock oder insbesondere Krücken stellt sich oft das Problem, dass man damit eben keine Suppenschüssel o.Ä. mehr tragen kann. Hier glänzt natürlich der Rollator, wo man alles einfach drauflegen kann. Oft kommt ein Rollator sogar mit einem Tablett, das sich über die Sitzplatte legen lässt, zu genau diesem Zweck.
- Einigermaßen gut zu verstauen: Nimmt in der Wohnung zwar Platz weg, aber nicht besonders viel. Kann zumeist auch ohne Streit mit dem Vermieter im Treppenhaus geparkt werden, und durch den geringen Geldwert ist er für Diebstahl auch nicht so interessant. Bei Nichtnutzung ist er im (Fahrrad-)Keller gut aufgehoben.
- Stoßfreies Gehen: Dadurch, dass das Gerät rollt, gibt es keine Stöße, was die Gelenke in den Armen schont. Kopfsteinpflaster usw. sind dennoch unangenehm.
- Sichtbare Behinderung: Es ist traurig, dass das als Vorteil eines Hilfsmittels überhaupt angegeben werden muss, aber in unserer heutigen Gesellschaft sind die meisten Leute nur dann bereit, zu helfen, wenn eine Person sichtbar als behindert markiert ist. Mit einem Rollator ist es erfahrungsgemäß kein Problem, einen Sitzplatz und andere Hilfe angeboten zu bekommen.
Der Rollator könnte das richtige Hilfsmittel für dich sein:
- Wenn du Probleme mit dem Gleichgewicht hast und dich öfter mal abstützen musst.
- Wenn du eh schon nicht gut laufen kannst, aber trotzdem manchmal größere Lasten transportieren musst, z.B. Einkäufe.
- Wenn du einen bequemen und stabilen Sitzplatz immer mit dabei haben möchtest. (Achtung: Im Bus ist der Rollatorsitz kein Ersatz für einen echten Sitzplatz, sondern aktiv gefährlich.)
- Wenn dir Flexibilität und Transportfähigkeit bei einem Hilfsmittel wichtig sind.
- Wenn du unter Erschöpfung leidest und bei zunehmender Erschöpfung nicht mehr stabil gehen kannst. Dann bietet der Rollator sowohl einen Platz zum Ausruhen als auch Schutz vor Stürzen.
Der Rollator ist wahrscheinlich nicht das Richtige für dich:
- Wenn du beim Gehen so instabil bist, dass das Gerät wegrollen könnte und du dann trotzdem stürzt. Die korrekte Technik (zwischen den Griffen gehen statt dahinter) kann Verletzungen dabei verhindern, ist aber nicht für jede Person motorisch möglich.
- Wenn du Probleme mit den Armen oder Schultern hast. Es gibt spezielle Erweiterungen für die Griffe mit Armauflage, wo der Unterarm auf einem Polster liegt. Den Aufwand würde ich genau dann empfehlen, wenn klar ist, dass der Rollator das beste Hilfsmittel ist, aber Belastung auf die Handgelenke wegen Schwäche oder anderen Problemen einfach nicht geht. Die Bremsen werden weiterhin mit den Händen bedient.
- Wenn du regelmäßig für längere Zeit ein Bein komplett entlasten musst (also gar nicht auftreten kannst). Das geht mal für ein paar Meter im Notfall, aber wird sehr schnell sehr anstrengend und belastet die Handgelenke sehr stark, da diese nicht gestützt sind.
- Wenn du zuhause Treppen hast und keine Möglichkeit, den Rollator sicher abzustellen, ohne ihn die Treppen hochzutragen.
- Wenn du unter so starker Erschöpfung leidest, dass auch unbelastetes Gehen für dich nicht mehr möglich ist.
- In sehr hügeligen Gegenden. Mal mit dem Rollator eine Steigung hoch oder runter ist kein Problem, aber auf Dauer ist das einfach nur anstrengend.
- Wenn du bei deinen täglichen Strecken Treppen absolut nicht vermeiden kannst.
Unterarmauflagen entlasten die Handgelenke. Foto: Jsme MILA via Pexels.
Worauf du bei Anschaffung eines Rollators achten solltest:
- Das Wichtigste zuerst: Beinfreiheit beim Gehen. Viele Rollatoren (auch teurere Modelle! Aufpassen) sind so konstruiert, dass der Sitz bis unter die Griffe nach hinten ragt. Dies führt dazu, dass du bei der Verwendung in eine ungesunde Körperhaltung gezwungen wirst, wenn du nicht mit den Oberschenkeln gegen den Sitz stoßen möchtest. Bei der empfohlenen Gehtechnik befindet sich dein Körper zwischen den Griffen, nicht dahinter, sodass du gerade gehst und nicht gebeugt. Achte daher unbedingt darauf, dass zwischen den Griffen Platz für deine Beine ist.
- Kipphilfe: Manche Rollatoren, eher die hochwertigeren Modelle, haben eine Ankipphilfe – das ist einfach nur ein klug platziertes Stück Plastik, wo du drauftreten kannst, um den Rollator mit deinem Fuß abzustützen und so die Vorderräder anzuheben. Das hilft dir z.B. eine Bordsteinkante hochzukommen. Wenn das für dich ein Problem sein könnte, solltest du also ausprobieren, ob du mit dem Rollator, den du dir ausgesucht hast, auch tatsächlich eine Stufe hochkommst. (Wenn es keine Kipphilfe gibt, gehen Stufen übrigens rückwärts oft besser als vorwärts.)
- Offroad-Tauglichkeit: Es gibt spezielle Rollatoren mit extra großen Rädern, die auch auf Schotter, Wiesen, Sand usw. noch rollen. Die sind dann interessant, wenn du das Hilfsmittel z.B. für die tägliche Hunderunde brauchst oder anderweitig oft im Freien aktiv bist.
- Wenn du fett bist, brauchst du natürlich einen Rollator, der von der Breite her auf deinen Körper passt und mit deinem Gewicht klarkommt.
- Ausstattung: Brauchst du einen Korb am Rollator? Oft sind diese so konstruiert, dass du den Korb einfach herausnehmen und im Ganzen mit in deine Wohnung nehmen kannst, wenn du das Gerät im Treppenhaus stehen lässt. Brauchst du ein Tablett am Rollator? Die können echt hilfreich sein, wenn du das Teil oft innerhalb der Wohnung benutzt und gerne Speisen und Getränke transportieren möchtest. Oder ist das alles unnötiger Schnickschnack und du möchtest lieber ein Gerät ohne ein einziges überflüssiges Gramm? Leichtgewicht-Rollatoren sind oft eher teuer, aber dafür extra leicht zu transportieren.
Negativbeispiel: Bei diesem Rollator ist es unmöglich, eine stabile Haltung einzunehmen. Sturzgefahr. Foto: Oksdfjkllrwe, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.
Worauf du bei Benutzung eines Rollators achten solltest:
- Korrekte Einstellung der Griffhöhe: Die Griffe müssen wie beim Gehstock so eingestellt sein, dass der Arm leicht angewinkelt ist, wenn du ganz aufrecht stehst. Das liegt daran, dass der Griff parallel zum Mittelhandknochen des Daumens verlaufen muss (denn dieser trägt das Gewicht!), und das Handgelenk sich dabei in Neutralstellung befinden sollte.
- Du solltest gerade laufen, nicht vornüber gebeugt.
- Deine Schultern sollten sich in Neutralstellung befinden, nicht hochgezogen.
- Setz dich niemals im Bus auf den Rollator. In der Bahn geht das unter Umständen noch, auch wenn es nicht empfehlenswert ist, aber im Bus ist es eine Garantie, dich bei der ersten Kurve oder Bremsung auf die Fresse zu legen.
- Wenn du Probleme mit dem Lenken das Rollators und dem Herabgehen von Steigungen hast, benutz die Bremsen, um dich dabei zu unterstützen (Bremsen nach oben ziehen für kurze Betätigung).
- Raste die Bremsen ein (nach unten drücken), wenn du dich auf den Rollator setzen möchtest, damit er nicht wegrollt.
- Wenn du die Koordination dafür hast, kannst du dich auch auf den Rollator setzen und die Bremsen offen lassen, damit du dich mit den Füßen vorwärts ziehen kannst. Für längere Strecken ist das ungeeignet, da du nicht in einer Spur bleiben oder sinnvoll steuern kannst, aber wenn du in einer Schlange stehst, z.B. an der Supermarktkasse, ist es ein angenehmer Trick.
- Stufen und Kanten lassen sich rückwärts oft leichter nehmen als vorwärts, besonders wenn du den Rollator nicht nach hinten kippen kannst.
- Du brauchst beim Gehen beide Hände, da dir der Rollator sonst zur Seite wegrollt. Um das Handy zu benutzen, musst du stehenbleiben, und einen Regenschirm halten kannst du auch nicht. Es gibt Rollator-Regenschirme, die am Gestänge festgeschraubt werden, und eine Handyhalterung kann dir unter Umständen auch helfen. Manche Menschen machen sich auch eine Fahrradklingel an den Rollator.
- Du wirst ohne Hilfe nicht mehr gut Treppen hoch und runter kommen. Wenn du anfängst, ein Hilfsmittel mit Rädern zu verwenden, wirst du lernen müssen, wie du deine täglichen Strecken ohne Treppen planst.
- Versuche nicht, den Rollator eine Rolltreppe hoch oder runter zukriegen. Wenn du es trotzdem tust, achte darauf, dass du oberhalb des Rollators stehst. Das heißt, bei Rolltreppe hoch steigst du vor dem Rollator auf die Rolltreppe, und bei Rolltreppe runter geht der Rollator voran. Andersrum ist der Schwerpunkt zu weit oben, um das Teil richtig zu halten, und du bringst dich in Lebensgefahr.
- Du kannst dich auf einem Rollator nicht durch die Gegend schieben lassen, egal wie motiviert und kräftig deine Helfenden sind. Generationen von Behindis haben dieses Experiment gemacht. Mach es ruhig selbst, wenn du mir nicht glaubst. Es ist ungefährlich.
Demonstration der korrekten Benutzungstechnik. Möglichst aufrechter Gang zwischen den Griffen statt dahinter schont den Rücken und verhindert Stürze. Foto: Irina Rempt, Model: Liselot van der Voort. Mit freundlicher Genehmigung.
Themen: behinderung, mobilitätshilfen, infodump