Rollstuhlkonfiguration
Die Konfiguration manueller Aktivrollstühle bekommt einen eigenen Beitrag, weil es sowohl komplex ist als auch sehr, sehr wichtig. Zu oft habe ich mitbekommen, dass Personen völlig ungeeignet konfigurierte Rollstühle bekommen haben, mit denen sie nicht die erhoffte Selbständigkeit erreichen konnten. Mir selbst ist das auch schon passiert. Leider ist es nicht möglich, sich auf »die Fachleute« zu verlassen, sofern diese Fachleute nicht selbst Rollstuhl benutzen oder intensiv mit Menschen zusammenarbeiten, die dies tun. Anekdotisch arbeiten viele Sanitätshäuser mit Werbebroschüren und schlechten Empfehlungen, die nichts mit dem Alltag zu tun haben. Sie wissen nicht, worauf es ankommt. Bezahlt werden sie so oder so, egal ob du mit dem Ergebnis leben kannst oder nicht. Wenn du dir unsicher bist, erstelle eine Konfiguration und bespreche sie mit einer rollstuhlnutzenden Person deines Vertrauens, bevor du die Bestellung endgültig in Auftrag gibst.
Besonders, wenn du fett bist (politische Bezeichnung) oder wenn du sehr geschwächt bist, werden Sanitätshäuser dir eher eine Konfiguration empfehlen, die weniger gut für die aktive Benutzung geeignet ist, obwohl ausgerechnet dann der richtige Aktivrollstuhl den größten Unterschied macht.
Die Maße
Sitzbreite, Sitztiefe, Beinlänge:
Diese Maße müssen den eigenen Körpermaßen entsprechen.
Die Sitzbreite sollte so sein, dass du mit Kleidung (z.B. dicker Wintermantel) noch zwischen die Räder passt. Üblicherweise haben Aktivrollstühle einen Speichenschutz auf der Innenseite, sodass deine Kleidung nicht in die Räder geraten kann. Wenn der Rolli ein bisschen zu eng ist, sitzt du dazwischen relativ fest, was unter Umständen auf Dauer unbequem werden kann, aber für manche Menschen aufgrund der stabilisierenden Wirkung angenehm ist. Wenn der Sitz jedoch deutlich zu eng ist, kann dieser Speichenschutz sich verbiegen. Ihn rauszunehmen, hilft leider nicht, da du dann stattdessen mit der Kleidung an den Speichen schleifst.
Wenn der Rollstuhl hingegen zu breit für dich ist, wirst du Schwierigkeiten haben, die Räder richtig zu greifen, und die Schultern werden unnötig stark belastet. Ein paar Zentimeter Luft sind schon okay, aber viel mehr sollte es nicht sein, besonders wenn du schmale Schultern hast.
Die Sitztiefe ist die Länge des Sitzes von Rückenlehne bis Vorderkante, also praktisch die Länge deiner Oberschenkel plus Gesäß. Wenn der Sitz zu lang ist, kann das zu Druckstellen und Schmerzen an den Kniekehlen fühlen. Ein (möglichst festes) Rückenkissen kann Abhilfe schaffen, wird allerdings den Schwerpunkt entsprechend nach vorne verlagern, was durch Einstellung ausgeglichen werden muss. Wenn der Rollstuhl keinen einstellbaren Schwerpunkt hat, muss der Sitz wirklich passen. Ein zu kurzer Sitz führt dazu, dass deine Knie nach vorne rausstehen und du die Beine stärker anwinkeln musst, um die Füße auf die Fußstütze stellen zu können. Das kann unbequem werden.
Die Beinlänge ist die Länge deiner Unterschenkel plus Fuß, also der Abstand von Fußstütze zu Sitz. Wenn dieser Abstand zu groß ist, führt auch das zu Druckstellen und Schmerzen an den Kniekehlen; wenn er zu klein ist, sitzt du mehr auf deinem Hintern und das kann auf Dauer dort zu Schmerzen führen. Die Fußstütze ist in der Regel einstellbar. Ich musste einmal bei einem Kleinanzeigen-Rollstuhl ein paar zusätzliche Löcher bohren, damit ich sie kurz genug machen konnte, aber normalerweise sind solche Änderungen unproblematisch.
Dieser faltbare Aktivrollstuhl besitzt Transfergriffe, die nicht mit den Armstützen eines Transportrollstuhls zu verwechseln sind. Foto: Arnold C, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
Höhe der Rückenlehne:
Die Rückenlehne darf bei einem Aktivrollstuhl nicht zu hoch sein, da du beim Antreiben Bewegungsfreiheit in den Schultern brauchst. Die Rückenlehne muss daher mindestens ca. 2 cm unterhalb der Schulterblätter enden. Wenn sie zu hoch ist, kann ein festes Sitzkissen helfen, um dich weiter nach oben zu bringen. Wenn die Rückenlehne zu niedrig ist, ist das eher unproblematisch. Prinzipiell heißt eine niedrigere Rückenlehne einfach nur mehr Bewegungsfreiheit. Viele Rollifahrer*innen benutzen eine minimalistische Lehne, die wenig mehr ist als ein Anschlag für den Hintern, damit sie nicht hinten runterrutschen können. Besonders, wenn du ohne größere Schwierigkeiten auf einen »richtigen« Sitz umziehen kannst, wenn du dich entspannen willst, ist das völlig okay, auch wenn es natürlich mehr Arbeit für die Rumpfmuskulatur ist, dich aktiv aufrecht zu halten.
An diesem sportlichen Starrrahmen-Rollstuhl ist nur eine minimalistische Rückenlehne vorhanden. Foto: Mikhail Nilov via Pexels
Sitzwinkel, Winkel der Rückenlehne:
Prinzipiell werden Rollstühle so eingestellt, dass der Sitz an der Hinterkante einen kürzeren Abstand zum Boden hat als an der Vorderkante. Der Sitz ist also praktisch ein paar Grad nach hinten gekippt. Hierin unterscheiden (Aktiv)rollstühle sich drastisch von stationären Stühlen, deren Sitzplatte meist parallel zum Boden ist. Dieser Sitzwinkel hilft dir einerseits, stabil im Rollstuhl zu sitzen, und ist andererseits super praktisch, wenn du Gegenstände auf dem Schoß transportieren willst, ohne dass sie ständig runterrutschen. Bei einstellbaren Rollstuhlmodellen ist der Sitzwinkel prinzipiell veränderbar.
Die Rückenlehne kann dann so konfiguriert werden, dass sie überhaupt nicht oder leicht nach hinten zeigt. Bei manchen Rollstühlen ist der Winkel zwischen sitz und Rückenlehne einstellbar, bei anderen ist er fix.
An diesem Starrrahmen-Rolli sieht man gut, dass die Sitzfläche nicht horizontal ist. Eingezeichnet ist der Winkel zwischen Rückenlehne und Sitz (1) sowie der Sitzwinkel (2). Foto: Tim99~commonswiki, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Lage des Schwerpunkts:
Vom Prinzip her soll möglichst viel Gewicht auf den großen Haupträdern liegen und möglichst wenig auf den kleinen Vorderrädern. Bei einstellbaren Rollstühlen kann dieser Schwerpunkt eingestellt werden, meist durch Verschieben der Haupträder.
Auf unebenem Grund muss man oft die Vorderräder anheben und auf den Haupträdern balancieren, um durchzukommen. Foto: Nadiia Doloh via Pexels
Wenn der Schwerpunkt sehr weit hinten liegt, spricht man von einer »aktiven« Konfiguration. Dabei kippt der Rollstuhl sehr leicht nach hinten, ist also etwas instabiler. Wer keinen Kippschutz hat, kann sich dadurch leicht aufs Kreuz legen. Gefährlich ist das (abgesehen von gesundheitlichen Risikofaktoren, die Stürze gefährlicher machen) nur, wenn es am Hang oder auf einer Rampe passiert, da der Abstand zum Boden dann entsprechend größer ist. Auf der Ebene ist mir selbst das Dutzende Male passiert; es sieht dramatischer aus, als es ist. (Auf einer steilen Rampe kann es übrigens auch sein, dass der Kippschutz den Sturz nicht verhindert. Deshalb ist es ratsam, solche Steigungen rückwärts zu erklimmen.) Der Vorteil einer aktiven Einstellung ist einerseits, dass der Rollwiderstand seinen Minimalwert erreicht und du so mit wenig Kraft am weitesten kommst. Andererseits wird es dadurch leichter, die Vorderräder anzuheben, um Kanten und Schwellen zu überwinden oder sich auf unebenem Boden balancierend fortzubewegen.
Für den ersten Rollstuhl ist es empfehlenswert, ein Modell zu wählen, bei dem der Schwerpunkt eingestellt werden kann. Wenn du genau weißt, wie der Rolli eingestellt sein muss, und was für dich am besten funktioniert, kannst du auch einen mit fixer Einstellung wählen.
Verstellbarkeit:
Wie schon erwähnt, gibt es einstellbare Rollstühle und nicht einstellbare. Bei einstellbaren Modellen ist es üblicherweise die Radaufnahme, deren Position vertikal (hoch/runter) und horizontal (vor/zurück) verschoben werden kann. Dadurch sind Sitzwinkel und Lage des Schwerpunkts einstellbar. Das macht es leichter, herauszufinden, was für dich gut funktioniert, auf Veränderungen deines Gesundheitszustands zu reagieren, oder einen Second-Hand-Rolli an deinen Körper anzupassen. Diese Modelle sind allerdings oft etwas schwerer und befinden sich preislich und qualitativ oft eher am unteren Ende.
Hin und wieder wurde ich mit der Behauptung konfrontiert, es gäbe nur Faltrollstühle in einstellbarer Ausführung. Das ist falsch. Starrrahmen-Rollstühle mit einstellbarer Radaufnahme gibt es von diversen Herstellern und sie vereinen die Vorteile eines Starrrahmens mit der Einstiegsfreundlichkeit eines einstellbaren Rollstuhls.
Dieser Starrrahmenrollstuhl ist einstellbar, was man an der Radaufhängung sieht. An dieser sind Bohrungen vorhanden, um das Rad nach oben und unten zu versetzen, und am Rahmen Bohrungen, um die gesamte Radaufhängung versetzen zu können. Die Kleiderschutzbleche sitzen zu weit oben für die Radposition. Foto: Mike Bates, Public domain, via Wikimedia Commons
Grundlegende Form
Starrrahmen oder Faltrolli:
Die grundlegendste Entscheidung bei der Konfiguration eines Aktivrollstuhls ist die Entscheidung für einen Rahmentyp. Ein Faltrollstuhl ist, wie der Name verrät, faltbar, während ein Starrahmenrollstuhl nicht faltbar ist. In manchen Fällen kann bei einem Starrrahmenrollstuhl die Rückenlehne heruntergeklappt werden, um ihn z.B. im Auto leichter transportieren zu können.
Oft werden Faltrollstühle emfohlen, da sie angeblich besser in ein Auto passen würden. Das kann ich so nicht unterschreiben. Durch die X-Streben sind sie auch ohne Räder oft noch sehr hoch, besonders die günstigen Einstiegsmodelle, und erfordern einen hohen Kofferraum, um überhaupt reinzupassen. Im Gegensatz dazu kann man bei einem Starrrahmenrolli einfach die Räder abklicken, den Rahmen auf einen freien Sitz stellen, und die Räder obendrauf legen oder in den Fußraum davor. Das passt in das winzigste Auto, sofern noch ein Platz frei ist, was bei einem Faltrollstuhl einfach nicht der Fall ist. Allerdings lässt sich ein Faltrolli eher innerhalb der Wohnung in eine Nische quetschen – das geht mit einem Starrrahmen natürlich nicht. Außerdem kommt man mit einem Starrrahmen durch eine zu enge Tür schlicht und einfach nicht durch, während man einen Faltrollstuhl einfach zusammenklappen und durchschieben kann.
Durch die Konstruktion ist es nicht ohne Weiteres möglich, einen Faltrollstuhl mit einer festen Sitzplatte oder Rückenlehne auszustatten. Es werden die »Zeltplanen« aus Textil verwendet. Das heißt auch, dass feste ergonomische Sitze oder Rückenlehnen mit diesen Modellen nicht kompatibel sind. Außerdem sind Faltrollstühle zwangsweise schwerer, da mehr gewichtiges Gestänge vorhanden ist. Das macht vor allem beim Hochheben einen Unterschied, beim Fahren weniger.
Fußstütze:
Es gibt Fußstützen in geteilter Ausführung und durchgehende Fußstützen. Geteilte Fußstützen, wie man sie vom Transportrollstuhl kennt, sind für die aktive Benutzung von deutlichem Nachteil: Sie sind schwerer, wodurch der Schwerpunkt sich weiter nach vorne verlagert; außerdem sind sie sehr sperrig, was das Manövrieren in engen Räumen erschwert, und sie sind sehr instabil. Mir wurden sie einmal mit dem Argument verkauft, dass es mit diesen Fußstützen leichter wäre, aufzustehen, aber das kann ich nicht unterschreiben. Auf mit einer durchgehenden Fußstütze kommen die Füße noch auf den Boden, und für Transfers benutzt man die Arme.
Durchgehende Fußstützen sind auch an Faltrollstühlen möglich.
Von meinem ersten Rollstuhl bleiben mir nur noch Selfies. Ich hab das Teil gehasst, und diese furchtbare geteilte Fußstütze wie bei einem Transportrollstuhl war der Hauptgrund.
Antriebsweise:
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, einen Rollstuhl anzutreiben: Entweder die Räder werden mit den Händen angetrieben, oder man zieht sich mit den Beinen vorwärts. Mit letzterer Methode habe ich keine eigene Erfahrung, allerdings habe ich schon einmal einer Person weitergeholfen, die einen Rollstuhl »zum mit den Füßen Antreiben« bekommen hat und damit überhaupt nicht zurechtkam. Deswegen möchte ich darauf hinweisen, dass praktisch jeder manuelle Rollstuhl sich ein paar Meter mit den Füßen schubsen und mit den Schuhsohlen abbremsen lässt, auch wenn die Fußstütze starr ist und nicht weggeklappt werden kann. Ein niedriger Rollstuhl ohne Füßstütze macht nur Sinn, wenn du dich ausschließlich mit den Füßen antreiben möchtest und in Kauf nimmst, dass du damit entsprechend langsam bist und Stufen, Schwellen, Steigungen, unebenes Gelände etc. nicht überwinden kannst. Es kostet viel Kraft und ist nicht so gut, wie es sich anhört.
Dieser Aktivrollstuhl passt der Person darin super, und wie man sieht, hat sie trotzdem keine Schwierigkeiten, die Füße auf den Boden zu setzen. Foto: Polina Tankilevitch via Pexels
Sitz
Zeltplane oder Brett?
Rückenlehne und Sitz können entweder aus einem starren Brett bestehen oder aus einem Textil. Die Textilausführung der Rückenlehne kenne ich bei Aktivrollstühlen mit einstellbaren Klettverschlüssen, die versprechen, die Spannung und Form nach Belieben anpassen zu können.
Die »Zeltplane« wird immer, egal wie fest die Klettverschlüsse gespannt werden, in der Mitte durchhängen, und entweder besitzt das verwendete Sitzkissen / Rückenkissen genug Stabilität, um das auszugleichen, oder es wird sehr schnell sehr ungemütlich und schmerzhaft. Wenn sowohl Lehne als auch Sitz aus Textil bestehen, führt dieses Durchhängen erfahrungsgemäß dazu, dass der Hintern hinten raushängt, wenn das Sitzkissen nicht hoch genug ist.
Dieser Starrrahmenrollstuhl besitzt ein starres Sitzbrett, das nicht nachgibt. Foto: --Xocolatl, Public domain, via Wikimedia Commons
Stattdessen ein Brett zu wählen, klingt zunächst unbequem, schließlich sind Bretter hart. Das Textil ist allerdings auch nicht ergonomisch geformt und bietet außerdem nicht genug Stützwirkung. Für Weichheit und Ergonomie sind die verwendeten Polster zuständig; das Material des Sitzes muss diesen nur eine ausreichend stabile Unterlage bieten, um ihre Wirkung tun zu können.
An diesem faltbaren Aktivrolli sieht man gut, wie die »Zeltplane« durchhängt (der Sichtbarkeit zuliebe gelb markiert). Foto: Arnold C, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
Sitzkissen:
Sitzkissen kommen in vielen verschiedenen Formen von einem einfachen Schaumstoffkissen bis hin zu individuell angepassten ergonomischen Hochleistungskissen. Nimm dir das Beste, was du kriegen kannst.
Rückenkissen:
Es ist durchaus möglich, einen Rollstuhl ohne Rückenkissen zu benutzen. Ich hatte nie eins drauf, sowohl auf meinem ersten Rollstuhl mit »Zeltplane« am Rücken, als auch auf meinem Ventus mit dem Brett im Rücken. Unbequem fand ich es nie. Allerdings gibt es ergonomische Rückenlehnen, die die Wirbelsäule besser stützen. Auch hier wieder: Du wirst es vermutlich nicht bereuhen, wenn du eine bessere Rückenlehne nimmst als du brauchst, aber andersrum wirst du dich sehr ärgern.
Dieser Rollstuhl besitzt eine ergonomische Rückenlehne sowie ein ergonomisches Sitzkissen. Foto: Memasa, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Räder
Radsturz:
Als Radsturz wird der Winkel bezeichnet, mit dem die Räder nach innen gekippt sind. Der unterste Punkt des Rades ist also weiter außen als der oberste Punkt. Die Hauptfunktion des Radsturzes ist die Stabilisation des Rollstuhls beim Kurvenfahren mit hohen Geschwindigkeiten, um ein seitliches Umkippen zu verhindern. Ein Einfluss auf den Rollwiderstand ist nicht messbar. Bei Sportrollstühlen wird entsprechend oft ein sehr großer Radsturz benutzt.
Sportrollstühle haben oft einen sehr großen Radsturz. Foto: Solehuddin Din via Pexels
Im Alltag ist ein (kleinerer, meist bis max. 3°) Radsturz teilweise sinnvoll. Das Gerät wird durch ihn breiter und kommt nicht mehr durch enge Gänge. Allerdings verringert er auch seitliches Wegrollen auf Schrägen (wie stark Bürgersteige sich zur Straße hin neigen, merkt man erst auf dem Rollstuhl so richtig) und besonders bei sehr schmalen Sitzbreiten ist ein deutlicher Radsturz emfehlenswert, da die Wahrscheinlichkeit für seitliches Umkippen z.B. während einer ruckeligen Busfahrt oder auf seitlich geneigten Gehsteigen verringert wird.
Größe der Vorderräder:
Prinzipiell sollen die Vorderräder möglichst klein sein. Intuitiv würde man sich vorstellen, dass kleinere Räder es schwieriger machen, über Kanten und Schwellen zu kommen. Das kann ich allerdings aus Erfahrung nicht bestätigen. Bei meinem ersten Rollstuhl hatte ich sehr große Räder dran, und als ich den zweiten mit deutlich kleineren Rädern bekam, hatte ich nicht mehr Probleme mit Kanten, sondern weniger, weil es leichter war, die Vorderräder anzuheben. Auch mit den größeren Vorderrädern musste ich nämlich bei jeder noch so kleinen Schwelle die Räder anheben. Es hilft einfach nichts.
Außerdem ist ein Rollstuhl mit kleineren Vorderrädern wendiger. Der Rollwiderstand wird durch größere Vorderräder bei üblichen Gewichtsverteilungen nicht messbar verringert.
Greifringe:
Greifringe gibt es ebenfalls in verschiedenen Varianten, um das Antreiben und Bremsen zu erleichtern. So ist es auch Menschen mit eingeschränkter Handfunktion oder begrenzter Kraft in den Händen möglich, einen manuellen Rollstuhl zu verwenden.
Die Greifringe können in zwei Positionen montiert werden, entweder ein bisschen weiter weg vom Rad oder ein bisschen näher dran. Die Position mit mehr Abstand ermöglicht es, mit nach unten gerichteter Handfläche zu greifen.
Wenn ein ergonomischer Greifreifen nicht bewilligt wird oder aus anderen Gründen nicht vorhanden ist, kann man sich auch ein Paar Silikon-Überzüge kaufen, diese kosten ca. 40-60 € und bieten exzellenten Grip und meiner Meinung nach auch sehr guten Griffkomfort; allerdings sind sie ohne Handschuhe fast nicht zu benutzen, weil sie die Haut erbarmungslos aufscheuern. Ich habe mir auch schon ein paarmal Tennisschläger-Griffband drumgewickelt, das hält nicht besonders lange, aber es sieht natürlich je nach Farbkombination affengeil aus. Fahrradlenkerband würde sicher auch funktionieren und unter Umständen etwas (nicht viel) länger halten, ist aber auch deutlich teurer.
Auf diesem alten Selfie von mir sieht man gut, dass meine Greifreifen auf der weiteren Position montiert sind. Das Schwarze an den Greifreifen sind die Silikon-Überzüge. Ich benutze immer einfach die billigsten Arbeitshandschuhe, die ich finden kann; die Reibung scheuert jeden noch so teuren Handschuh in Nullkommanichts durch.
Zubehör
Schiebegriffe:
Schiebegriffe gibt es in fest, einstellbar, klappbar, und ohne. Wer sich hin und wieder schieben lassen möchte, ist meiner Meinung nach mit einstellbaren Griffen gut beraten, da dann die schiebende Person eine einigermaßen benutzbare Griffhöhe einstellen kann. Von klappbaren Griffen war ich nicht überzeugt; da ich klein bin und meine Rückenlehne niedrig, sind die Griffe am Ende weit unten und für die meisten Leute, die mich schieben sollen, einfach viel zu tief. Außerdem halten eingeklappte Griffe erfahrungsgemäß niemanden davon ab, ohne Zustimmung anzupacken. Sie drücken dir dann halt gegen den Rücken.
Ganz ohne Griffe macht dann Sinn, wenn du weißt, dass du dich unter keinen Umständen jemals schieben lassen möchtest.
Dieser Kinderrollstuhl hat extra lange Schiebegriffe. Wenn die Griffe sonst sehr niedrig wären, macht es Sinn, verstellbare Griffe einzubauen, die bei Bedarf ausgefahren werden können und ansonsten nicht im Weg sind. Auch zu sehen: Die Kippstütze hinten am Rollstuhl. Foto: Meruyert Gonullu via Pexels
Transfergriffe:
Bei vielen Modellen gibt es die Option, seitlich kleine Transfergriffe zu haben. Das ist nett für Leute, die sich abstützen müssen, wenn sie aus dem Rolli rauswollen. Die Griffe sind sehr klein und stören bei aktiver Benutzung nicht.
Kippschutz:
Kippschutz wird durch Stangen erreicht, die hinten am Rollstuhl nach unten ragen. Normalerweise haben sie kleine Rädchen dran, sodass man in der komplett nach hinten gekippten Position noch rollt und so Hindernisse überwinden kann.
Ein Kippschutz ist für viele Menschen sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich. Ich finde die Dinger am rein manuellen Rolli grausig, persönlich leg ich mich lieber alle paar Wochen mal aus Ungeschicktheit aufs Kreuz, statt immer diese Teile im Weg zu haben. Aber als mein Rollstuhl einen Hilfsantrieb bekam, musste ich Kippstützen einbauen lassen, und das war ganz besonders am Anfang auch wirklich nötig, sonst wäre ich alle 30 Sekunden umgekippt.
Allerdings hat ein Kippschutz technische Grenzen: Wenn man eine allzu steile Steigung hinauffährt, kann der Kippschutz den Sturz nicht abfangen. Das ist sehr gefährlich, da hier auch der Abstand zum Boden deutlich größer ist und keine Chance hat, durch Muskelreflexe den Aufschlag des Kopfes auf dem Boden zu verhindern. Deswegen sollten prinzipiell nur sanfte Steigungen mit dem Rollstuhl vorwärts erklommen werden, und alles andere rückwärts, sodass die Füße ins Tal zeigen. Bei der Abfahrt zeigen sie sowieso ins Tal, da ist alles gut.
Wer viel wert auf eine aktive Nutzungsweise legt, sollte sich überlegen, die Kippstützen wegzulassen. Ohne Kippschutz kann man weiter nach hinten kippen, um Hindernisse zu überwinden, hat es beim Transport etwas leichter, und kann Spezialtechniken wie z.B. Treppensteigen anwenden.
Mit der richtigen Technik und viel Kraft im Oberkörper kann man auch im Rollstuhl Treppensteigen. Foto: Nadiia Doloh via Pexels
Themen: behinderung, mobilitätshilfen, infodump